Naima Bock
Wenn einen die große Handfläche, die »giant palm« des Lebens in den Himmel emporhebt, dann vergisst man vielleicht für einen Moment, dass man gar nicht fliegen kann. Und wenn die Welt unter deinen Füßen zerbröselt, du dir die Krümel liebevoll an die Wange reibst, bis sie der Wind davonweht, dann, ja dann ist man schon mitten in der spätsommerlich verdämmerten Folkmusik-Aura des Debütalbums von NAIMA BOCK.
Die Britin, in Glastonbury geboren, spielte einst Bass bei der eher wilden und politisch lauten Postpunk-Band Goat Girl, daher überrascht ihre ätherisch-naturschwärmerische, im hochtönenden, aber heiseren Joni-Mitchell-Duktus Album gesungene Solo-Musik umso mehr. Oder auch nicht: Nach ihrem Abschied von Goat Girl gründete Bock, die brasilianische und griechische Wurzeln hat, eine Gartenbaufirma und fing an, Archäologie zu studieren, weil sie, wie sie sagt, gerne in Bodennähe ist. Die meisten Songs schrieb sie auf Wanderungen, oft auf spanischen Pilgerwegen.
Dennoch ist »Giant Palm« keine reine Solipsismus-Übung, sondern wurde mit bis zu 30 Musikerinnen im Studio aufgenommen - Akustikgitarren, Trompeten, Violinen, Flöten -, was man vor allem zwischen Jazz und orchestralem Dreampop schwingenden Songs wie »Campervan« anhört, das Joaquín Rodrigos »Concierto de Aranjuez« in britische Folk- Traditionen überblendet. Am Schluss covert sie mit ihrem Ensemble ganz entzückend den brasilianischen Sixties-Klassiker »O Morro (Feio não é bonito)« von Nara Leão. So schön, man will sich sogar als Camping-Hasser sofort einen dieser Nostalgie-Bullis mieten und raus aufs Land, den Kummer der Welt für einen Moment im Wind zerbröseln lassen.